Tratsch: gesundheitsreform aber richtig!!

krattler, 23. Februar 2016, um 16:15

ok, das glaub ich dir sofort!
rein vom papier her wärs so, aber was ist da schon papier wert, wenn falsch beschriftet;)

Soolbrunzer, 23. Februar 2016, um 16:24

Faxe, Du musst Dich bei meinem Konzept gedanklich von den bisherigen Strukturen lösen... ich sprach von Indikationsbezogenheit (was den Chefarzt miteinschließt; nicht einzusehen, dass er wegen alberner Wehwehchen einiger Hochprivater antanzt, während bei einem Schwerstkranken eine komplexe OP anstünde; Operationen müssen im Übrigen auch jetzt schon von erfahrenen Fachärzten durchgeführt werden), nicht von Luxus.

Die "Bezahlbarkeit"... naja, ich setze eine gewaltige Steuerreform voraus, was zum einen Mehreinnahmen (höhere Spitzensteuersätze, aber auch Steuermehreinnahmen durch mehr in Lohn und Brot stehende qualifizierte Mitarbeiter/innen im Gesundheitswesen) bedeuten würde, zum anderen fallen Kostenfaktoren wie Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung etc. weg. Vergesst bitte nicht, dass das Krankenkassensystem aus dem vorvergangenen Jahrhundert stammt...

quickjohn, 23. Februar 2016, um 16:59
zuletzt bearbeitet am 23. Februar 2016, um 17:04

Das Gesundheitswesen ist über alle Maßen von Lobbyismus durchdrungen so daß ein jeglicher - wirklich weiterführender - Reformansatz an seiner zu erwartenden populistischen Verunglimpfung scheitern muß.

In den frühen 90zigern wäre die Reformchance noch groß gewesen - realistische Szenarien hätten der aufkommenden Skepsis bzgl. der Grenzen des Wachstums den Weg bahnen können.

Ein damaliger - von einigen wirklich klugen Köpfen geforderter - Paradigmenwechsel in der Krankenversicherung hin zur Hoch-Risiko-Absicherung hätte die Mrd.-Verschwendung bei Bagatell-Versorgung/Honoraren stark eingedämmt, die Verwaltungskosten zurückgedrängt und letztlich Mittel dafür frei gemacht worauf es wirklich ankommt - für die Versorgung im Akut-Lebensbedrohten-Bereich (inkl. der dafür erforderlichen Forschungsaufwendungen.)

Aber dazu kam es nicht und als Konsequenz breitete sich der Moloch 'Verwaltungskosten' in allen Bereichen des Gesundheitswesens ungehindert und offenbar nicht reversibel aus.

faxefaxe, 23. Februar 2016, um 17:01

Wenn ich das recht verstehe, willst Du anders als die anderen weniger Versorgung auf Kassenbasis? Kenne den Ansatz nicht.

Soolbrunzer, 23. Februar 2016, um 17:20

Ja Quickjohn, ich habe dich ähnlich verstanden wie Faxe... könntest Du den Ansatz mal genauer darlegen, bevor ich zu meiner populistischen Verunglimpfung desselben ansetze^^?

quickjohn, 24. Februar 2016, um 15:15
zuletzt bearbeitet am 24. Februar 2016, um 15:19

@ Soolbrunzer
genauer darlegen trifft es nicht - denn meine Aussagen sind bereits hinlänglich präzise.

@faxefaxe
und von mir aus auch Soolbrunzer

Min. 90% aller Leistungen im Gesundheitsweisen sind Bagatellen die keiner Kassenabrechnung bedürfen sondern direkt - mit stark degressiven Auswirkungen - z.B. zw. Arzt u. Patient abzurechnen sind.

Zur Hoch-Risiko-Absicherung genügt damit ein Bruchteil der KV-Prämien/Abgaben resp. könnte wiederum ein Bruchteil davon die Versorgung dort qualitativ stark verbessern.

Ein radikaler Ansatz den ich teile - aber ehrlich, diskutieren will ich darüber nicht.

Soolbrunzer, 24. Februar 2016, um 15:25

Klingt nach einem sehr "eigenverantwortlichen" Modell aus neoliberaler Ecke, was gerade vor dem Hintergrund zunehmender Altersarmut nicht unproblematisch sein dürfte... aber da Du eh' nicht diskutieren willst...

Soolbrunzer, 24. Februar 2016, um 15:26

Immerhin - nicht weniger radikal als mein Ansatz^^

faxefaxe, 24. Februar 2016, um 15:27

^^ da fällt mir nix mehr zu ein, will was heißen :-)

Soolbrunzer, 24. Februar 2016, um 15:29

😄

krattler, 24. Februar 2016, um 17:34

nönö, der quickjohn hat völlig recht, die chance ist in den 90ern vergeigt worden.
die damaligen denkmodelle sahen eine grundabsicherung vor, restliche kleinere wehwehchen wären privat abzusichern gewesen. ein voll schlaues und finanzierbares system und letztlich auch wesentlich gerechter. schade, dass qj nimmer mitreden will.....

faxefaxe, 24. Februar 2016, um 17:54

Mir fällt auch nicht zu seiner Forderung nichts mehr ein, sondern zu seiner Diskussionskultur :-)

Soolbrunzer, 24. Februar 2016, um 19:37

2

Soolbrunzer, 25. Februar 2016, um 02:59
zuletzt bearbeitet am 25. Februar 2016, um 03:06

Na gut, der schnelle John mag nicht diskutieren, ich schon.

Da steht erstmal im Raum, dass mindestens 90% aller Leistungen im Gesundheitswesen Bagatellen seien, die keiner Kassenabrechnung bedürften und deshalb zwischen Arzt und Patient - d.h. privat in Eigenleistung durch den Patienten selbst - abgerechnet werden sollten.

Wie diese 90% zustandekommen sollen, würde mich brennend interessieren.

Schauen wir uns mal die Gesundheitsausgabenstatistik des Statistischen Bundesamts von 2013 an:

Beziehen wir uns mal nur auf die Ausgaben der GKV (quickjohn stellt ja auf "Kassenabrechnung" ab); da stehen 2013 gesamt rund 182 Mrd. Euro, eine stolze Summe. Hiervon haben die Krankenkassen allein für (teil)stationäre Leistungen und Rettungsdienste rund 74 Mrd. Euro aufgewendet, das sind über 40% der GKV-Aufwendungen. Sofern stationäre Behandlung und Rettungsdienste erforderlich sind, wage ich zu bezweifeln, dass dies "Bagatellen" wären.

Bezogen auf ALLE Ausgabenträger im Gesund-heitswesen (also inklusive PKV, GUV, GRV, SPV, öffentliche Hand, Arbeitgeber und Private Leistungen) wären das bei gesamt rund 315 Mrd. Euro noch immerhin gute 38% (rund 122 Mrd.) "Nicht-Bagatellausgaben".

(Zahlenbeleg vgl. hier:
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/AusgabenGesundheitPDF_2120711.pdf;jsessionid=32F2E653F591D09E05010FF4C7F95AF4.cae1?__blob=publicationFile
auf Seite 14 der pdf-Datei)

Da scheint mir schon die Prämisse falsch zu sein oder mit anderen Worten: quickjohn "bagatellisiert" im wahrsten Sinne des Wortes.

Im Übrigen: Epidemiologisch lässt sich ein Zusam-menhang nachweisen, der sich ganz platt so zusam-menfassen ließe: Je niedriger das Einkommen, desto schlechter die Gesundheit.
(vgl. z.B. hier: http://www.svr-gesundheit.de/index.php?id=88)

Ein System, das (erheblich) mehr Eigenleistungen (nach quickjohn bis zu 90%!) der Leistungsempfänger (also, das wären WIR, die Patienten!) einfordert, muss geradezu dazu beitragen, dass die Morbiditätskluft zwischen niedrigem und hohem Einkommen größer wird, vereinfacht ausgedrückt, dass Geringverdiener tendenziell noch kränker werden. Flankiert von der bekanntermaßen sich weiter öffnenden Einkommensschere dürfte sich dieser Effekt verstärken.

Und da haben wir noch nicht einmal von dem Phänomen der zunehmenden Altersarmut gesprochen. Ich denke, der epidemiologische Zusammenhang zwischen zunehmendem Alter und zunehmender Morbidität sollte jedem ohne weiteren Beleg einleuchten. Je älter, je kränker + je älter, je ärmer... muss ich weiterschreiben?

Dass ein "Bruchteil" der GKV-Abgaben zur Hochrisiko-Absicherung genüge, halte ich ebenfalls für eine eher gewagte Behauptung. Das Risiko nimmt mit dem Alter zu, und die Leut' wern halt immer älter (Triple-Aging-Effekt aus 1. sinkender Geburtenrate, 2. steigender Lebenserwartung und - tja nun: 3. Migration).

Bleibt die zynische Vermutung, dass man sich mit solchen Konzepten neben der primären Kosten-entlastung im Solidarsystem der GKV ganz nebenbei auch noch eine "Abmilderung" der (Alters-)Armut durch sozialverträgliches Ableben erhofft... was ja auch wieder Ausgabenersparnisse bei Renten, ALGII und natürlich auch der GKV nach sich ziehen würde. Rein monetär tolle Synergien, ich muss schon sagen...

faxefaxe, 25. Februar 2016, um 06:47

Freund von mir den ich gestern getroffen hatte, war wegen einer hartnäckigen Erkältung beim Hausarzt (Bagatelle, hätte er selbst zahlen müssen und vielleicht bleiben lassen), der hat eine Herzklappenentzündung entdeckt. Danach war er vier Monate außer Gefecht, aber recht froh, dass der Arzt ein gutes Gespür hatte.

Wenn sehr radikal nur noch das Lebensnotwendige gezahlt würde, wäre das sicher vor allem zu Lasten der unteren sozialen Schichten, die die Wahl haben, ob sie nicht mehr zum Arzt gehen oder selber zahlen, was sie sich schlechter leisten können. 90 Prozent nicht mehr zu zahlen wäre Aufkündigung der Solidargemeinschaft, fast schon amerikanisches Prinzip.
Aber eine gesetzliche Basisversorgung plus private Zusatzbausteine (Zahn, Einzelzimmer, Homöopathie, etc pp) ist sicher der richtige Weg.

faxefaxe, 25. Februar 2016, um 09:47

Das Problem sind meiner Meinung nach die 90 Prozent (die er als Bagatellen sieht), das halte ich für viel zu hoch, da würde das Solidarprinzip aufgehoben. Gegen mehr Eigenanteil habe ich nix.

Soolbrunzer, 25. Februar 2016, um 11:11
zuletzt bearbeitet am 25. Februar 2016, um 11:15

Oje.

Dass quickjohn's Vorschlag "umsetzbar" ist, hatte ich niemals in Frage gestellt. Allein: Grundsätzlich würden die volkswirtschaftlichen Gesundheitsausgaben ja nicht sinken, die Kosten würden lediglich umverteilt. Dass eine Umverteilung in diese Richtung funktioniert, ist hinreichend bekannt. Ich sagte ja, ich sehe rein monetär tolle Synergien in diesem Modell...

Ich hätte nur gerne mal eine Stellungnahme der Befürworter im Hinblick auf die sozialen Konsequenzen; Stichworte Alter und Altersarmut, Niedriglöhne, ALGII, kinderreiche Familien, etc.

Des weiteren hätte ich mal gerne eine Definition dessen, was da "lebensnotwendig" und was da "Bagatelle" genannt wird... Radikal betrachtet könnte da z.B. Palliativmedizin schon rausfallen (irgendwie müssen wir ja auf die 90% kommen); denn Leben werden hier im Sinne eine Kuration zumindest keine gerettet... Also: lebensnotwendig oder Bagatelle, Eigenverantwortung oder solidarische Existenzsicherung?

Faxe, Du hattest zuletzt irgendwo mal geschrieben (weiß nicht mehr genau in welchem Fred und in welchem Zusammenhang, aber das ist bei mir hängengeblieben, weil ich es genauso sehe), dass eines der wesentlichen (sozialen) Probleme u.a. die Chancenungleichheit sei. Nun: Dieses Konzept zementiert, nein: erhöht die bereits bestehende Chancenungleichheit, da Wohlhabende eben schlicht eine wesentlich bessere Chance auf Gesundheit haben, als Nicht-Wohlhabende, so einfach ist das.

Wenn wir - und das ist meine grundlegende These - an ein freiheitliches System glauben, dann brauchen wir bestmögliche Chancengleichheit. Die Wohlhabenden dürfen gerne wohlhabend bleiben und - noch mal ganz platt - wer faul ist, muss keinen Anspruch auf Wohlstand haben. Jedoch: Die Chancennachteile, die Geringverdiener haben, sollten zumindest im Bereich Gesundheit und Bildung minimiert werden. Dieses Modell macht das Gegenteil.

Im Übrigen: Mein Modell ist ebenfalls "umsetzbar"; ein National Health System gibt es z.B. in Großbritannien (auch wenn dort aus Austeritätsgründen ebenfalls saftig gespart werden soll). Freilich können wir auch gerne Konsequenzen diskutieren.

faxefaxe, 25. Februar 2016, um 12:17

^^ ach, immer wenn ich Dich ernst nehmen will, kommt sowas.

Soolbrunzer, 25. Februar 2016, um 12:33

Außerdem (lamngsam schreibe ich mich in Rage^^), kami:

schön, dass Du privat versichert bist, was mithin bedeutet, dass Du es Dir eben leisten kannst; schön, dass Du Deine Arztrechnungen selbst zahlen kannst und schön, dass es sich rechnet (was bitte meinst Du mit "Rückvergütung", dass Deine PKV die entstandenen Kosten erstattet? Das hat dann aber mit "Eigenbeteiligung" doch nix zu tun; ich nehme an, die verbleibenden Arztkosten wirst Du auch schön bei Deiner Steuererklärung zum Ansatz bringen...). Aber Deine konkrete Situation ist doch kein Beweis, dass dieses System funktionstüchtig wäre.

Da könnte ich ja auch sagen: "Wenn ich zum Arzt gehe, gebe ich mein Kärtchen ab und werde dann beandelt. Funktioniert.", um das GKV-System vollumfänglich für gut zu befinden.

Wenn wir schon bei mir sind: ICH gehe nicht wegen Bagatellen zum Arzt; ich war in den letzten zwei Jahren (zahnärztliche Kontrollen mal außen vor) genau zwei Mal in ärztlicher Behandlung:

Einmal hatte ich ne Gastritis, da gab's 'nen Ultraschall und 'ne Laborkontrolle, um u.a. Gallensteine oder Bauchspeicheldrüsenkrebs auszuschließen. Die Therapie trug ich selbst: Diät, Magenwohl-Tees und Pantoprazol 20mg 0-0-1 rezeptfrei für 10 Tage. Urlaub hatte ich sowieso gerade. Keine Bagatelle, Gastritiden können zu Magenblutungen und Magengeschwüren bis hin zum lebensbedrohlichen Durchbruch führen, und es hätte ja auch Bauchspeicheldrüsenkrebs sein können.

Das Jahr davor hatte ich mir den Daumen ä bissle angeflext. Das war gottlob nicht tief, aber sehr schmerzhaft, musste genäht werden, außerdem Kompressionstherapie und 14 Tage außer Gefecht. Bagatelle?

Wegen grippalen Infekten gehe ich schlicht nur dann zum Arzt, wenn sie (hoch)fieberhaft sind; das war bei mir zum letzten Mal vor ich glaube 15 Jahren der Fall (kommt hin, da war ich noch nicht verheiratet).

Jetzt wieder allgemeiner: Das Phänomen, auf das ich wortreich und umständlich hinarbeite, nennt sich "Präsentismus". Ich schleppe mich mit Kopf- und Gliederschmerzen, laufender Nase und bellendem Husten (wahlweise mit oder ohne Auswurf) zur Arbeit. Gleiches beobachte ich bei meinem Team, von meinen 19 Kolleg/innen kenne ich keinen, der sich wegen einer Erkältung krankmelden würde; ich muss im Gegenteil immer wieder Leute nach Hause schicken, weil sie schlicht arbeitsunfähig sind, aber noch keinen Arzt aufgesucht, sondern sich - aus Pflichtbewusstsein - zur Arbeit geschleppt haben. Auch wenn es Hinweise gibt, dass gerade in meinem Tätigkeitsfeld der Pflege das Präsentismus-Phänomen besonders ausgeprägt ist, scheint Präsentismus insgesamt durchaus verbreitet zu sein.
(vgl. z.B. hier: annahfrey.de/wp-content/uploads/2015/02/1311_Die_Schwester_Der_Pfleger_Präsentismus_Arbeiten_trotz_Krankheit.pdf)

Offenbar scheinen also Bagatellen - aus welchen Gründen auch immer - bereits jetzt von den Menschen ausgefiltert zu werden; insoweit erscheinen mir quickjohn's 90% noch mehr fragwürdig.

Das war wieder mal langatmig; ich weiß. Ob die Langatmigkeit in angemessenem Verhältnis zur Substanz steht, weiß ich indessen nicht; das mögt ihr entscheiden.

Soolbrunzer, 25. Februar 2016, um 12:34

Oh, wadde ma, den obenstehenden Post von Dir hatte ich gar nicht gesehen... da kommt noch 'ne Antwort, kami^^

faxefaxe, 25. Februar 2016, um 12:40

Wenn jeder 90 Prozent seiner Gesundheitskosten selbst tragen muss, trifft das natürlich arme stärker als Reiche. albern.

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