Tratsch: Wie haltet ihr das mit dem Militarismus?

grubhoerndl, 11. April 2022, um 21:55

oder anders ausgedrückt: ist „was interessiert mich mein geschwätz von gestern“ eine adäquate politische vorgehensweise?

faxefaxe, 11. April 2022, um 21:59

Falls Du das meinst:
ich hätte vor zwei Jahren auch gesagt „wozu soll Deutschland denn Panzer brauchen? Es gibt doch in Mitteleuropa nie wieder Panzerkriege. Ist doch Wurscht,
ob die funktionieren oder nicht oder wieviele wir haben.“

da lag ich völlig falsch. Ich bin aber auch kein Verteidigungspolitiker.

grubhoerndl, 11. April 2022, um 22:04

Ich frage mich schon seit Wochen, was in unsere friedensbewegten grünen Freunde gefahren ist, bzw. woher sie ihr Graß beziehen, und ob sie nicht ernsthaft Alternativen auf dem Weltmarkt suchen sollten.

Wie in Gottes Namen ist zu erklären, daß unsere Außenministerin sich nun für die Lieferung „schwerer Waffen“ stark macht.

Eskalation als Mittel der politischen Auseinandersetzung ist very old school, und hat nach meiner bescheidenen Kenntnis noch keinen einzigen Konflikt gelöst.

Soizhaferl, 11. April 2022, um 22:04

Ideale führen vielleicht nirgendwo hin, aber deswegen sind sie nicht falsch. Die Kunst wird darin bestehen, Waffen zu bauen und an eine Zukunft ohne Waffen zu glauben.

faxefaxe, 11. April 2022, um 22:07

Der Ukraine Waffen zu liefern, halte ich für keine Eskalation.
kann eine Verteidigung hier überhaupt eskalierend sein?
Da geht es ja ums nackte Überleben. Für die Menschen ganz konkret und für das Land abstrakt.

grubhoerndl, 11. April 2022, um 22:17
zuletzt bearbeitet am 11. April 2022, um 22:17

Bedeutet mehr Tote, mehr Zerstörung, mehr Leid.

Aber wir definieren das als moralisch korrekt.

Das beißt sich doch!

faxefaxe, 11. April 2022, um 22:20

Ob die Ukraine kämpfen oder sich ergeben will, ist für mich eine völlig freie Entscheidung der Ukrainer.
sie wissen, was ihnen droht, wenn sie sich ergeben, offenbar wollen sie das aktuell nicht. Aber es wäre für mich völlig ok, wenn sie das anders sehen.

aber von außen zu sagen:
„Ergebt Euch.
vielleicht werdet Ihr dann getötet oder verschleppt oder vergewaltigt, aber insgesamt ist das besser so“, halte ich für falschen Paternalismus.

der Nebeneffekt ist: umso schwieriger der Sieg für Putin ist, desto länger überlegt er sich, ob er es bei einem anderen Land als Nächstes versucht. Aber dafür müssen die Ukrainer nicht kämpfen, wenn sie nicht wollen.

grubhoerndl, 11. April 2022, um 22:32
zuletzt bearbeitet am 11. April 2022, um 22:33

Versuche es doch mit etwas Abstraktion.

Ziel: „Ich will den anderen besiegen (wahlweise u den r oder r den u)“

Wenn das Ziel erreicht ist, was ist der nächste Schritt? „Wir müssen uns über die neue Situation einigen.“ Also wird verhandelt.
Effektiv wäre es doch, Schritt 2 zu gehen, bevor Schritt 1 ausgereizt ist; brächte weniger Tote, weniger Zerstörung und weniger Leid.

Mir liegt fern, von den Ukrainern zu verlangen, sich abschlachten zu lassen. Man würde ihnen aber deutlich mehr helfen, wenn es gelänge, Schritt 2 vorzuziehen. Warum sollte es diesbezüglich ein Denkverbot geben?

Bellaria, 11. April 2022, um 23:52

Um Kriegsverbrechen vermeiden zu können, kann eine vermittelnde Einmischung und Lieferungen von Defensivwaffen absolut gerechtfertigt sein.
Aber gut, nach deiner Version wäre es ja erst gar nicht zu Kriegsverbrechen gekommen.

Verhandlungen mit Putin sind so eine Sache ..... weil er sich oftmals nicht an Vereinbarungen hält, gar nicht verhandeln will, sondern einfach seine Vorstellung durchsetzen.
Verhandlungen führen ja nicht zu Einigkeit und / oder Sieg, eher zu faulen Kompromissen. Dann hätte es ja doch weiter gebrodelt. Putin will sich komplett durchsetzen und wieder zu einer Weltmacht werden. Dabei kann er keine Kompromisse eingehen, auch wenn er sie zusagt, hält er sie am Ende doch nicht ein. Verhandlungen würden für ihn ja keinen Sieg darstellen, das zeigte er schon mehrmals.Einigung gibt es für ihn nur, wenn alle so machen, wie er sagt.
Dieser (kein) Krieg hat ja nichts mit Moral zu tun, sondern mit Macht. Einer will dem anderen seinen Willen mit Gewalt aufzwingen.

Und Putin sieht sich von Feinden umzingelt. Ob dies nun Einbildung ist oder nicht, er fühlt es so und für ihn fühlt es sich echt an. Diese Isolation hat ihn wohl aggressiv gemacht.

Zu welchem Preis müssen Menschen denn leben, wenn sie total fremdbestimmt sind? Wenn keine Lebendigkeit und menschliche Entwicklung erlaubt sind, wozu die meisten Menschen aber einen natürlichen Drang verspüren.

Ist das nicht auch eine Art von Schmerz, Leid, Zerstörung und Tod?

Joschka Fischer löste sich übrigens im Balkan Krieg auch von seiner Gesinnung.....

Vom Frieden müssen wir uns nicht lösen, aber er ist wohl alles andere als selbstverständlich und muss auch mal verteidigt werden. Demokratie ebenso.

Aber du hast schon Recht damit, jeglicher Widerstand bringt Leid. Im Kleinen wie im Großen.

Was aber bringt Menschen Unterwerfung?
Und bliebe dann einzig Eigenverantwortlichkeit?

tych, 12. April 2022, um 00:39

bloodymir putin will, evtl. wegen vermuteter und schlimmer krankheiten bei ihm, wohl schnellstmöglich in die geschichtsbücher der welt als der rückerschaffer eines russischen / sowjetischen großreichs eingehen. zu diesem großreich gehören eben die ukraine (die "kleinrussen" in russischer diktion), die baltischen staaten, und diverse andere staaten, z. b. im kaukasus. aus seiner sicht sind diese nun souveränen staaten "abtrünnig", und müssen wieder "auf moskowiter linie gebracht werden".
grubi, bei so einem "weltbild" wie bei bloodymir bringen verhandlungen leider gar nix.

doch noch gilt die rationale logik des kalten kriegs: "wer als erster atombomben einsetzt, stirbt eben als zweiter!" also nix mit eintrag in den geschichtsbüchern, weil es dann keine dokumentierte geschichte mehr gibt.

daher bleibt dieser krieg von russischer seite auf einer terroristisch-konventionellen ebene, evtl. "ergänzt" durch nukleare gefechtsfeldwaffen oder der zündung einer wasserstoffbombe in der hohen athmosphäre, um einen EMP zu erzeugen zur störung jeglicher elektronisch gestützter
kampfführung. der westen darf also nicht auf die "atomare option gegen russland" hereinfallen, muss diesbezüglich die füsse absolut still halten.

notwendig ist also eine massive hilfe der ukraine mit konventionellen waffen, ohne direktes engagement der NATO, flankiert von sukzessiven wirtschaftlichen sanktionen. eine volkswirtschaft mit der leistungsfähigkeit von italien kann keinen langen krieg im bisherigen ausmaß durchhalten.

moralismus ist sicher eine vornehme menschliche eigenschaft, geht aber an der tatsache vorbei, wenn eben ein skrupelloser autokrat "sein ding durchziehen will"!

p.s.: zu scholzi: hat er sich vor seiner rede über das "sondervermögen bundeswehr" eigentlich eingedeckt mit aktien von rheinmetall, hensoldt usw.? leider nicht von der gesetzgebung zum insiderhandel erfasst.

https://www.finanzen.net/aktien/hensoldt-aktie
https://www.finanzen.net/aktien/rheinmetall-aktie

faxefaxe, 12. April 2022, um 06:32
zuletzt bearbeitet am 12. April 2022, um 06:38

Wo gibt es denn Denkverbote, Grubi?

Es wird ja auch verhandelt. Nur, wie ein Kompromiss aussehen kann, ist schwer vorstellbar. Aber gern sofort, wenn es einen gibt.

Schmierfink1337, 12. April 2022, um 10:10

Irgendwie merkwürdig, das so darzustellen als sei man ein Exot, wenn man Verhandlungen bevorzugen würde. Ich denke, jeder westliche Politiker sieht das genauso. Die Frage ist halt, wie realistisch sind halbwegs akzeptable Verhandlungen mit Russland aus Ukrainischer Sicht…

viehweide, 12. April 2022, um 10:15
zuletzt bearbeitet am 12. April 2022, um 13:28

Für die USA war es immer ein großer Schock, als sie realisierten, dass auch die Sowjets über Atomwaffen verfügten, später auch noch die ersten Interkontinentalraketen, und auch die Fähigkeit Flugzeuge in großer Höhe abzuschießen...Die Strategie der Amerikaner ist nicht nur Abschreckung, sondern auch durch Hochrüstung einen Krieg gewinnbar zu machen.

viehweide, 12. April 2022, um 11:12

Faxe, hast Du gesehen, wie die russischen Panzer abgeschossen wurden? Panzer spielen zur Verteidigung keine Rolle mehr.

faxefaxe, 12. April 2022, um 11:16

Ich bin da kein großer Experte, lese nur überall, dass die Ukraine für eine Gegenoffensive/Rückeroberung schon mehr Panzer bräuchte.

viehweide, 12. April 2022, um 13:26

Das kommt darauf an, ob die Russen gute Panzerabwehrwaffen haben. Das wird wohl so sein, denn die hatten ja auch gut 30 Jahre Zeit ihre Systeme weiter zu entwickeln ( "wir" spendeten ja alte "Dinger" der NVA).

grubhoerndl, 12. April 2022, um 16:58
zuletzt bearbeitet am 12. April 2022, um 17:00

ihr verkennt eine sache. ich habe nie gesagt/geschrieben, man müsse mit putin verhandeln.
es müssten anerkannte/respektierte verhandler der u-seite und der r-seite miteinander verhandeln. und je schneller, desto besser.

daß "anerkannt/respektiert" für beide seiten derzeit kaum darstellbar erscheint, ist die crux an der sache; deswegen wird das morden und zerstören so lang weitergehen, bis diese darstellbarkeit beiderseitig eingetreten ist.

und das ist halt nun mal ein (abschreckungs-)gleichgewicht; um dieses zu erreichen, muß man nicht die völlige zerstörung abwarten, aber man kann natürlich. das wiederum mit moralischen argumenten zu begründen erscheint doch zumindest sehr fragwürdig (ich würde es als widersinnig und kontraproduktiv ansehen).

faxefaxe, 12. April 2022, um 17:01

wer wartet ab? Es gibt ja immer wieder Verhandlungen und Gespräche, die führen nur bislang zu nichts. niemand verweigert Gespräche aus moralischen Gründen, soweit ich das überblicke.

grubhoerndl, 12. April 2022, um 17:24
zuletzt bearbeitet am 12. April 2022, um 17:31

du willst es gerne misverstehen, das haben journalisten so an sich.
ich formuliere es um, so daß es verständlicher werden kann:

die "moralische keule" ist: «ach ich kann doch die armen ukrainer nicht alleine lassen, dann werden sie abgeschlachtet!»

die bittere wahrheit ist, sie werden wohl so oder so abgeschlachtet (und das auszusprechen, ist bei uns politisch inkorrekt).

wäre es nicht sinnvoller, sich eine strategie zu überlegen, wie man die opferzahl minimieren könnte? ich meine schon und bin mir eben nicht sicher, daß die cowboy-taktik ("erst schießen, dann fragen") hier das optimum darstellt.

und nochmals: kernpunkt meiner überlegung ist, daß letztendlich alle kriegsverbrecher abgeurteilt werden. wenn man das nicht bewerkstelligen kann, ist meine überlegung hinfällig, und es bleibt nur, sich so lange abzuknallen, bis keine munition oder keine gegner mehr übrig sind. und das kann keiner wollen, nichteinmal der putin.

faxefaxe, 12. April 2022, um 17:30

Nein, ich will das nicht „gerne missverstehen“, und weiß auch nicht so recht, was die Spitze soll.
russland hat gezeigt, was den Menschen in eroberten Gebieten droht. Was im Moment die Alternative zum Kämpfen (und Waffen liefern) für Dich ist, ist mir tatsächlich unklar.

Der Preis ist hoch, und ob sie ihn zahlen wollen, müssen die Ukrainer selber entscheiden. Aber bislang haben sie ja zumindest Kiew und die Westukraine erst einmal gerettet. Insofern glaube ich nicht, dass sie eh verlieren.

grubhoerndl, 12. April 2022, um 17:40
zuletzt bearbeitet am 12. April 2022, um 18:35

jetzt wird erstmal die ostukraine platt gemacht, und dann ziehen die russen langsam gen westen. der plan ist doch, daß kiew nochmal drankommt.

theoretischer zeitsprung: und wenn jetzt ein legendärer mutiger kämpfer nach dem krieg nach mariupol zurück will, um dort zu leben, ist das realistisch. wohl erkennbar nein. vielmehr muß er sich eine neue bleibe, neue beschäftigung und wenn's schlimm kommt eine neue familie zulegen.

wir abstrahieren wieder: das könnte man auch ohne krieg und zerstörung erreichen, wenn man das wollte -- aber das will wohl in der form keiner!

du hast recht, im moment erscheint eine alternative zum weiter kämpfen nicht erkennbar; dennoch sollten die fragen erlaubt sein: 1. wäre es geschickter gewesen, mit weniger eskalation zu arbeiten? 2. wann ist der zeitpunkt gekommen, dies zu beginnen?

NormanBates, 12. April 2022, um 18:13

Die Fragen sind durchaus legitim, aber ohne erkennbare Antworten... leider.

grubhoerndl, 12. April 2022, um 18:34
zuletzt bearbeitet am 12. April 2022, um 18:35

es gibt immerhin kleine lichter, die in die selbe richtung leuchten...

https://www.youtube.com/watch?v=flSArJGzQss

bei sich zu hause und in osteuropa hat er dafür ganz schön prügel eingesteckt; ich meine zu unrecht, auch wenn er wohl (noch?) keinen erfolg vorweisen kann. aber er sagt klipp und klar: der stete tropfen höhlt den stein.

Blechkultur_Kim, 13. April 2022, um 11:24

Gespräche und Verhandlungen bringen halt absolut nichts wenn der Gesprächspartner keinen Millimeter von seinen Forderungen und Vorstellungen abkommen will / wird.

Die einzige Hoffnung die ich aktuell habe, dass sich das Volk und die russische Armee noch mehr gegen Putin richtet.
Bis das nicht passiert wird er weiter vor gehen ohne Rücksicht auf Verluste.

Ab und zu wird mal wieder der Hinweis auf Atombomben kommen, so halten sich auch die Westlichen Mächte raus.

Putin ist MMn Vollkommen unberechenbar, zuzutrauen ist ihm alles.
Vielleicht ist an der Gerüchten wegen Krankheit ja was dran und er weis er hat nur noch xx Monate... Da sitz der Finger lockerer am Knöpfchen

kartnliesl, 14. April 2022, um 00:12

Unberechenbar und zuzutrauen ist ihm alles.
das sind auch meine Befürchtungen.

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